Ein Tag wie zur Zeit meiner Urgroßeltern.
Plötzlich wird mir bewusst, dass wir hier in St. Gilgen tatsächlich ein Relikt der Sommerfrische sind. Meine Urgroßmutter Lilly verbrachte den Sommer gemeinsam mit den Cousinen ihres Mannes: Ida und Anna. Sie unterhielten sich bei selbstgebackenem Kuchen, machten Ausflüge, verbrachten Zeit miteinander.
Und heute sitzen die Nachkommen von Lilly, Ida und Anna wieder zusammen bei Zwetschkenfleck, Tee und Kaffee – und es wird mir bewusst, dass wir wohl eine Insel der Sommerfrische darstellen. Denn diese bedeutet vor allem Familie und Freunde. Das macht den Geist der Sommerfrische aus. Die Großfamilie verbringt den Sommer gemeinsam, Geschwister, Cousinen und Cousins, Onkel und Tanten, Kinder, Nichte und Neffen. Wir hier in St. Gilgen pflegen die Tradition jeden Tag zwischen Juni und September – und oft auch außerhalb der Sommermonate. Wir sind eine große Familie zwischen St. Gilgen und Wien – die Unterschiede verschwimmen, die große und für alle kaum zu durchschauende Familie prägt das Leben, die Beziehungen, die Gefühle. Bis heute.
Unsere Vorfahrinnen haben die Tradition gepflegt – in St. Gilgen wie in Wien. 1934 hat meine Urgroßmutter Lilly der St. Gilgner Sommerfrische in Gedichtform ein Denkmal gesetzt.
Zum Jubiläum der Gilgner Jause. Gedicht von Lilly Jehle, ca. 1934

Ich weiß nicht, ob Ihr alle wisst
Dass jetzt ein Jubiläum ist.
Zehn Jahre sind’s, seit wir besprochen
Dass wir uns jede zweite Wochen
Vereinen sollen bei der Jause
Und stets in einem andern Hause
Uns treffen und zu guter Stunde
In fröhlich heitrer Tafelrunde
Zu plaudern, essen und zu nähen
Und immer wieder uns zu sehen.

Kurz sind die schönen Sommerwochen,
So haben damals wir besprochen
Die wir in Gilgen froh verbringen.
So wollen wir vor allen Dingen
Uns auch im Winter nicht verlieren
Und unsere Freundschaft weiterführen.
Erst war zwar unser Kreis noch klein
Doch wachsend wie die Negerlein
Sind wir jetzt neun so nette Damen
Ich nenne Euch jetzt gleich die Namen
Damit Ihr Eich daran ergötzt
In Jubelstimmung Euch versetzt.

Als erste naht jetzt froh und heiter
Stets unsre Mizzi Kaschenreuther.
Gar pünktlich ist sie in dem Hause
Wo man vereint zur Gilgner Jause
Und bei der Hände fleißig Tun
Lässt sie ihr Zünglein auch nicht ruhn.
Mit Stolz und mit geheimen Neid
Sind wir zu hören stets bereit
Wie’s Ihr als Dolmetsch ist ergangen
Wie sie auf englisch unbefangen
Und nur so aus dem Ärmel schüttelt
Was andern den Verstand zerrüttet.
Sie ist ein wahrhaft guter Freund.
Mit ihr an Pünktlichkeit vereint
Ist Lilly Greger auch zur Stell
Entfaltet ihre Arbeit schnell
Und unter amüsiertem Lachen
Da werkt sie, dass die Finger krachen
Zeigt immer wieder stolz beglückt
Der Mimi, wie man Fersen stricht
Und bringt als „Süßer Mädelbote“
In unseren Kreis die Wiener Note.

Ganz schlank und zur Sylphid erhoben
Kommt jetzt die Gretl Pauls geschoben

Ganz schüchtern, weil man sich geniert
Fragt man: Hast Du vielleicht chauffiert?
Vor Neid tät man die Haar sich raufen
Hört man: Nein, ich bin Schigelaufen.

Auch trägt sie stets, darauf ich wette,
Was man gern selbst am Leibe hätte.

Doch wer kommt da in unsre Mitten
Auf Pegasus dem Ross geritten?
Wem leuchtet von der Denkerstirn
Der Dichterkranz auf dem Gehirn?
Ja Putzi Du in diesem Raum?
Wir trauen unseren Augen kaum.
Du kommst aus Deinem Dichterhimmel
Zum Gilgner Jausentratschgewimmel?
Oh Putzi, lieber Pauli Muck
Lass doch uns Weiber, acht an Stuck
Einmal im Tagblatt aufmaschieren
Darfst Dich so viel Du willst mokieren.

Hoch lasst mich meine Leier schwingen
Die heutige Hausfrau zu besingen.
Doch stört sie nicht die Gute, Liebe
Es sprossen ihr Johannestriebe
Schwarz ist er, ach und schön und jung
Weckt rasende Begeisterung.
Doch wie ihr unsre Ida kennt
Streicht ruhig ab fünfzig Perzent.
Doch wollen wir nicht den kleinsten Bissen
Von ihrem Temperament vermissen
Wir ihr die Schneiderin zur Qual
Zerkracht sie mit dem Personal
Ist sie die Ärmste von den Armen
Will sie uns selbst mit was erbarmen
Wir lieben sie bei Ernst und Scherz
So wie sie ist —– die Ida Herz!

Verspätet, aber elegant
Kommt die Marquet jetzt angerannt.
Ihr Kommen hat zunächst den Zweck
Zu sagen, dass sie gleich muss weg.
Was sollen wir da alle machen?
Das sind halt eben solche Sachen
Ist man so fesch und noch so jung
So hat man die Verabredung.
Ja, Mizzerl bleib so wie Du bist
Wenn auch Dein Bleiben kurz nur ist.

Jetzt kommt ein heikler Augenblick
Die eigne Schwester – Emmy Frick
Gilt es jetzt lobend zu besingen
Wie werd ich das wohl fertig bringen?
Nur loben, fällt mir gar nicht ein
Wie würden dann die andern schrein
Und tadeln kann ich auch nicht viel
Weil ich mir’s nicht verderben will.
Was hat sie nur vor uns voraus?
Sie hat zwei Enkerln schon im Haus
Sie kokettiert als Großmama
Und sitzt noch wie die Jüngste da
Mit …nzig Jahr und noch verliebt
In ihren Mann. Ob’s das noch gibt?

Wer tritt zuletzt zur Tür herein
Das kann doch nur die Mimi sein.
Doch sprechen wir nicht zu viel davon
Sie bringt uns eine Sensation.
Wie hat ihr Kochen Euch beglückt?
Wie haben die Schlangen Euch entzückt?
Und gar die Köchinnengeschichten
Die sie voll Witz weiß zu berichten!
Ja, ist die Mimi nicht im Hause
So ist gedämpft die Gilgner Jause
Es fehlt an Würze und an Witz
Das hat die Mimi im Besitz.

Jetzt bin ich wirklich sehr befangen
Ihr könnt doch nicht von mir verlangen
Ich soll noch Nummer neun bedichten!
Darauf müsst Ihr total verzichten.
Nehmt mich wie ich nun einmal bin
Mit allen meinen Fehlern hin
Und wisst: Ihr könnt mir voll vertrauen
Und fest auf meine Freundschaft bauen.
Nun lasst mich rasch zu Schlusse eilen
Bei jeder tat ich kurz verweilen
Ihr freundlich ein paar Worte schenken
Nun will des Ganzen ich gedenken.

Niemals ein Streit, stets Fried und Ruh
So ging’s bei unsrer Jause zu.
Wenn auch die Wogen unsrer Launen
Nicht immer leise taten raunen
So gaben Witz und Fröhlichkeit
Stets Öl in die Beredsamkeit.
Drum lasst uns hoffen alle neun
So mög es immer weiter sein
In guter und in schwerer Zeit
Sei unsre Freundschaft stets bereit.
Es bleibt nur ein zu sagen noch
Hebt alle Eure Tassen hoch
Auf weitere zehn Jahre – ohne Pause
Der Freundschaft und der Gilgner Jause.

Wir pflegen die Gilgner Jause nicht nur in Wien, sondern auch in Gilgen: Unsere Feste heißen „Gilgner Jause“ als Referenz an unsere Vorfahren. Wir wollen das selbe: Familie und Freunde zusammenzubringen, den Sommer gemeinsam zu genießen, Ausflüge zu machen, täglich ein Schnapserl um 6 Uhr zu trinken, Generationen zusammenzubringen, zu diskutieren, zu musizieren, zu spielen, zu kochen, zu schwimmen und zu genießen. Uns ist es gelungen, dieses Lebensgefühl am Leben zu erhalten – das ist Sommerfrische in der alten guten Tradition. Nicht nur bei großen Festen, sondern auch im Alltag – wie herrlich, dass alle Generationen sich hier einfinden, sich wohlfühlen, Sicherheit und Geborgenheit verspüren – das soll Familie ja auch bedeuten. Sommerfrische wie es sein soll.

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Ein Tag wie zur Zeit meiner Urgroßeltern.
Plötzlich wird mir bewusst, dass wir hier in St. Gilgen tatsächlich ein Relikt der Sommerfrische sind. Meine Urgroßmutter Lilly verbrachte den Sommer gemeinsam mit den Cousinen ihres Mannes: Ida und Anna. Sie unterhielten sich bei selbstgebackenem Kuchen, machten Ausflüge, verbrachten Zeit miteinander.
Und heute sitzen die Nachkommen von Lilly, Ida und Anna wieder zusammen bei Zwetschkenfleck, Tee und Kaffee – und es wird mir bewusst, dass wir wohl eine Insel der Sommerfrische darstellen. Denn diese bedeutet vor allem Familie und Freunde. Das macht den Geist der Sommerfrische aus. Die Großfamilie verbringt den Sommer gemeinsam, Geschwister, Cousinen und Cousins, Onkel und Tanten, Kinder, Nichte und Neffen. Wir hier in St. Gilgen pflegen die Tradition jeden Tag zwischen Juni und September – und oft auch außerhalb der Sommermonate. Wir sind eine große Familie zwischen St. Gilgen und Wien – die Unterschiede verschwimmen, die große und für alle kaum zu durchschauende Familie prägt das Leben, die Beziehungen, die Gefühle. Bis heute.
Unsere Vorfahrinnen haben die Tradition gepflegt – in St. Gilgen wie in Wien. 1934 hat meine Urgroßmutter Lilly der St. Gilgner Sommerfrische in Gedichtform ein Denkmal gesetzt.
Zum Jubiläum der Gilgner Jause. Gedicht von Lilly Jehle, ca. 1934

Ich weiß nicht, ob Ihr alle wisst
Dass jetzt ein Jubiläum ist.
Zehn Jahre sind’s, seit wir besprochen
Dass wir uns jede zweite Wochen
Vereinen sollen bei der Jause
Und stets in einem andern Hause
Uns treffen und zu guter Stunde
In fröhlich heitrer Tafelrunde
Zu plaudern, essen und zu nähen
Und immer wieder uns zu sehen.

Kurz sind die schönen Sommerwochen,
So haben damals wir besprochen
Die wir in Gilgen froh verbringen.
So wollen wir vor allen Dingen
Uns auch im Winter nicht verlieren
Und unsere Freundschaft weiterführen.
Erst war zwar unser Kreis noch klein
Doch wachsend wie die Negerlein
Sind wir jetzt neun so nette Damen
Ich nenne Euch jetzt gleich die Namen
Damit Ihr Eich daran ergötzt
In Jubelstimmung Euch versetzt.

Als erste naht jetzt froh und heiter
Stets unsre Mizzi Kaschenreuther.
Gar pünktlich ist sie in dem Hause
Wo man vereint zur Gilgner Jause
Und bei der Hände fleißig Tun
Lässt sie ihr Zünglein auch nicht ruhn.
Mit Stolz und mit geheimen Neid
Sind wir zu hören stets bereit
Wie’s Ihr als Dolmetsch ist ergangen
Wie sie auf englisch unbefangen
Und nur so aus dem Ärmel schüttelt
Was andern den Verstand zerrüttet.
Sie ist ein wahrhaft guter Freund.
Mit ihr an Pünktlichkeit vereint
Ist Lilly Greger auch zur Stell
Entfaltet ihre Arbeit schnell
Und unter amüsiertem Lachen
Da werkt sie, dass die Finger krachen
Zeigt immer wieder stolz beglückt
Der Mimi, wie man Fersen stricht
Und bringt als „Süßer Mädelbote“
In unseren Kreis die Wiener Note.

Ganz schlank und zur Sylphid erhoben
Kommt jetzt die Gretl Pauls geschoben

Ganz schüchtern, weil man sich geniert
Fragt man: Hast Du vielleicht chauffiert?
Vor Neid tät man die Haar sich raufen
Hört man: Nein, ich bin Schigelaufen.

Auch trägt sie stets, darauf ich wette,
Was man gern selbst am Leibe hätte.

Doch wer kommt da in unsre Mitten
Auf Pegasus dem Ross geritten?
Wem leuchtet von der Denkerstirn
Der Dichterkranz auf dem Gehirn?
Ja Putzi Du in diesem Raum?
Wir trauen unseren Augen kaum.
Du kommst aus Deinem Dichterhimmel
Zum Gilgner Jausentratschgewimmel?
Oh Putzi, lieber Pauli Muck
Lass doch uns Weiber, acht an Stuck
Einmal im Tagblatt aufmaschieren
Darfst Dich so viel Du willst mokieren.

Hoch lasst mich meine Leier schwingen
Die heutige Hausfrau zu besingen.
Doch stört sie nicht die Gute, Liebe
Es sprossen ihr Johannestriebe
Schwarz ist er, ach und schön und jung
Weckt rasende Begeisterung.
Doch wie ihr unsre Ida kennt
Streicht ruhig ab fünfzig Perzent.
Doch wollen wir nicht den kleinsten Bissen
Von ihrem Temperament vermissen
Wir ihr die Schneiderin zur Qual
Zerkracht sie mit dem Personal
Ist sie die Ärmste von den Armen
Will sie uns selbst mit was erbarmen
Wir lieben sie bei Ernst und Scherz
So wie sie ist —– die Ida Herz!

Verspätet, aber elegant
Kommt die Marquet jetzt angerannt.
Ihr Kommen hat zunächst den Zweck
Zu sagen, dass sie gleich muss weg.
Was sollen wir da alle machen?
Das sind halt eben solche Sachen
Ist man so fesch und noch so jung
So hat man die Verabredung.
Ja, Mizzerl bleib so wie Du bist
Wenn auch Dein Bleiben kurz nur ist.

Jetzt kommt ein heikler Augenblick
Die eigne Schwester – Emmy Frick
Gilt es jetzt lobend zu besingen
Wie werd ich das wohl fertig bringen?
Nur loben, fällt mir gar nicht ein
Wie würden dann die andern schrein
Und tadeln kann ich auch nicht viel
Weil ich mir’s nicht verderben will.
Was hat sie nur vor uns voraus?
Sie hat zwei Enkerln schon im Haus
Sie kokettiert als Großmama
Und sitzt noch wie die Jüngste da
Mit …nzig Jahr und noch verliebt
In ihren Mann. Ob’s das noch gibt?

Wer tritt zuletzt zur Tür herein
Das kann doch nur die Mimi sein.
Doch sprechen wir nicht zu viel davon
Sie bringt uns eine Sensation.
Wie hat ihr Kochen Euch beglückt?
Wie haben die Schlangen Euch entzückt?
Und gar die Köchinnengeschichten
Die sie voll Witz weiß zu berichten!
Ja, ist die Mimi nicht im Hause
So ist gedämpft die Gilgner Jause
Es fehlt an Würze und an Witz
Das hat die Mimi im Besitz.

Jetzt bin ich wirklich sehr befangen
Ihr könnt doch nicht von mir verlangen
Ich soll noch Nummer neun bedichten!
Darauf müsst Ihr total verzichten.
Nehmt mich wie ich nun einmal bin
Mit allen meinen Fehlern hin
Und wisst: Ihr könnt mir voll vertrauen
Und fest auf meine Freundschaft bauen.
Nun lasst mich rasch zu Schlusse eilen
Bei jeder tat ich kurz verweilen
Ihr freundlich ein paar Worte schenken
Nun will des Ganzen ich gedenken.

Niemals ein Streit, stets Fried und Ruh
So ging’s bei unsrer Jause zu.
Wenn auch die Wogen unsrer Launen
Nicht immer leise taten raunen
So gaben Witz und Fröhlichkeit
Stets Öl in die Beredsamkeit.
Drum lasst uns hoffen alle neun
So mög es immer weiter sein
In guter und in schwerer Zeit
Sei unsre Freundschaft stets bereit.
Es bleibt nur ein zu sagen noch
Hebt alle Eure Tassen hoch
Auf weitere zehn Jahre – ohne Pause
Der Freundschaft und der Gilgner Jause.

Wir pflegen die Gilgner Jause nicht nur in Wien, sondern auch in Gilgen: Unsere Feste heißen „Gilgner Jause“ als Referenz an unsere Vorfahren. Wir wollen das selbe: Familie und Freunde zusammenzubringen, den Sommer gemeinsam zu genießen, Ausflüge zu machen, täglich ein Schnapserl um 6 Uhr zu trinken, Generationen zusammenzubringen, zu diskutieren, zu musizieren, zu spielen, zu kochen, zu schwimmen und zu genießen. Uns ist es gelungen, dieses Lebensgefühl am Leben zu erhalten – das ist Sommerfrische in der alten guten Tradition. Nicht nur bei großen Festen, sondern auch im Alltag – wie herrlich, dass alle Generationen sich hier einfinden, sich wohlfühlen, Sicherheit und Geborgenheit verspüren – das soll Familie ja auch bedeuten. Sommerfrische wie es sein soll.

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