Pötzleinsdorf. Ein Experiment, eine neue Erfahrung. Denn über den Ort zu schreiben, in dem ich nicht nur aufgewachsen bin, sondern bis heute lebe, ist speziell. Geschichte, eigene Erinnerungen und die Gegenwart vermischen sich zu einem ganz merkwürdigen Ganzen.

Plötzlicher Entschluss

Zu Pfingsten habe ich plötzlich den Entschluss zu diesem Buch gefasst. Und ich bin bei gefühlten 40 Grad die Pötzleinsdorfer Straße auf und ab marschiert. Mein Leben lang bin ich entweder mit der Straßenbahn oder mit dem Auto gefahren – und nun habe ich endlich meine Straße zu Fuß erobert. Zugegeben: Ich hab mich schon ein bisserl geniert, dass ich das erst jetzt getan habe. Und somit auch die Häuser und Villen wahrgenommen hab. Da gibt es eine Villa mit wunderbaren Majolika-Verzierungen, angebaut an eine andere Villa, die so gar nicht dazu passen möchte. Dazu die vertrauten Villen und die mir bekannten Geschichten über Freunde meines Urgroßvaters, meiner Großmutter, meiner Mutter, meiner Schwester und mir selbst. Geschichten, die das 20. Jahrhundert umfassen: Türkische Diplomaten der Zwischenkriegszeit, jüdisches Großbürgertum, Profiteure der Nazizeit und behütete Kindheit der 1970er Jahre. Was für eine Bandbreite tut sich da auf.

NSA und neue Entdeckungen

Uns vis à vis ist die sogenannten „NSA“-Villa – und wir wussten schon immer um dieses „Geheimnis“. Ebenso wussten wir, dass die Pötzleinsdorfer im März 1938 wie die Hyänen über diese Villa hereingefallen sind und alles gestohlen haben, was nicht niet- und nagelfest war. So wurde uns das jedenfalls erzählt. Und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bis zu Pfingsten 2019 niemals versucht hatte herauszufinden, wer die Eigentümer waren. Doch nun war es an der Zeit. Und ich habe gerade zwei Stunden gebraucht, um die Eigentümer zu eruieren und die Nachfahren zu finden – facebook sei Dank. Familie Donath. Die Enkelin des ursprünglichen Eigentümers schreibt mir aus Washington, dass sie massenhaft Photos hat und so glücklich ist, dass sich jemand für ihre Familie interessiert. Schon wieder. Ich bin die Erste. Wie oft wird mir das noch passieren. Wie viele Geschichten sind noch immer nicht erzählt.

Bei der Endstation der Straßenbahn ist eine weitere auffallende Villa, ebenfalls mit einem kleinen Türmchen – sehr ähnlich der Donath-Villa. Und das ist kein Zufall. Denn diese gehörte einer Schwester Donath. Diese Villa gehört einer Familie, die ich schon lange kenne – und ich bin gespannt, was sie zu meinen Recherchen sagt.

Das Geymüller Schlössel

Dann gibt es auch das Geymüller Schlössel, einst im Besitz der Familie Mautner. Stefan Mautner war ein Freund meines Urgroßvaters – ihr gemeinsames Jagdtagebuch befindet sich bei uns. Ich suche die Mautner-Nachkommen, die in nur zwei Tagen in mannigfaltiger Art und Weise auftauchen: In der Hinterbrühl, der Schweiz, Wien und Amerika. Und alle freuen sich, dass sich endlich jemand interessiert. Schon wieder.
Im MAK befinden sich Photos der Familie – doch woher sie stammen, bleibt noch ungewiss. Auch das werde ich herausfinden.

Familie Uprimny

Das führt zur Familie Uprimny, die eine Villa in der Allee besaßen, die den Nazis und dann den 1970er Jahren zum Opfer fiel. Eine Wohnhausanlage befindet sich nun dort. Die Familie emigrierte nach Kolumbien. Und ich schrieb willkürlich einem Anwalt in Caracas selben Namens. Eine Antwort bekam ich lange nicht, bis mir Carolina Uprimny schrieb, sie lebe in Wien und würde mich gern treffen. Was für ein Geschenk, denn sie hat nicht nur unglaublich konzis Familienforschung betrieben. Sie lässt mich an den Familientradierungen teilhaben – die eigentlich gar nicht existieren. Das große Schweigen der Emigranten betrifft auch diese Familie. Und die Nachkommen müssen sich mühsam die Familiengeschichte zurückerkämpfen.

Ich bin erst am Beginn des Buches – und doch habe ich bereits das Gefühl, dass sich unglaublich viel auftun wird. Eine spannende Reise.

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Pötzleinsdorf. Ein Experiment, eine neue Erfahrung. Denn über den Ort zu schreiben, in dem ich nicht nur aufgewachsen bin, sondern bis heute lebe, ist speziell. Geschichte, eigene Erinnerungen und die Gegenwart vermischen sich zu einem ganz merkwürdigen Ganzen.

Plötzlicher Entschluss

Zu Pfingsten habe ich plötzlich den Entschluss zu diesem Buch gefasst. Und ich bin bei gefühlten 40 Grad die Pötzleinsdorfer Straße auf und ab marschiert. Mein Leben lang bin ich entweder mit der Straßenbahn oder mit dem Auto gefahren – und nun habe ich endlich meine Straße zu Fuß erobert. Zugegeben: Ich hab mich schon ein bisserl geniert, dass ich das erst jetzt getan habe. Und somit auch die Häuser und Villen wahrgenommen hab. Da gibt es eine Villa mit wunderbaren Majolika-Verzierungen, angebaut an eine andere Villa, die so gar nicht dazu passen möchte. Dazu die vertrauten Villen und die mir bekannten Geschichten über Freunde meines Urgroßvaters, meiner Großmutter, meiner Mutter, meiner Schwester und mir selbst. Geschichten, die das 20. Jahrhundert umfassen: Türkische Diplomaten der Zwischenkriegszeit, jüdisches Großbürgertum, Profiteure der Nazizeit und behütete Kindheit der 1970er Jahre. Was für eine Bandbreite tut sich da auf.

NSA und neue Entdeckungen

Uns vis à vis ist die sogenannten „NSA“-Villa – und wir wussten schon immer um dieses „Geheimnis“. Ebenso wussten wir, dass die Pötzleinsdorfer im März 1938 wie die Hyänen über diese Villa hereingefallen sind und alles gestohlen haben, was nicht niet- und nagelfest war. So wurde uns das jedenfalls erzählt. Und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bis zu Pfingsten 2019 niemals versucht hatte herauszufinden, wer die Eigentümer waren. Doch nun war es an der Zeit. Und ich habe gerade zwei Stunden gebraucht, um die Eigentümer zu eruieren und die Nachfahren zu finden – facebook sei Dank. Familie Donath. Die Enkelin des ursprünglichen Eigentümers schreibt mir aus Washington, dass sie massenhaft Photos hat und so glücklich ist, dass sich jemand für ihre Familie interessiert. Schon wieder. Ich bin die Erste. Wie oft wird mir das noch passieren. Wie viele Geschichten sind noch immer nicht erzählt.

Bei der Endstation der Straßenbahn ist eine weitere auffallende Villa, ebenfalls mit einem kleinen Türmchen – sehr ähnlich der Donath-Villa. Und das ist kein Zufall. Denn diese gehörte einer Schwester Donath. Diese Villa gehört einer Familie, die ich schon lange kenne – und ich bin gespannt, was sie zu meinen Recherchen sagt.

Das Geymüller Schlössel

Dann gibt es auch das Geymüller Schlössel, einst im Besitz der Familie Mautner. Stefan Mautner war ein Freund meines Urgroßvaters – ihr gemeinsames Jagdtagebuch befindet sich bei uns. Ich suche die Mautner-Nachkommen, die in nur zwei Tagen in mannigfaltiger Art und Weise auftauchen: In der Hinterbrühl, der Schweiz, Wien und Amerika. Und alle freuen sich, dass sich endlich jemand interessiert. Schon wieder.
Im MAK befinden sich Photos der Familie – doch woher sie stammen, bleibt noch ungewiss. Auch das werde ich herausfinden.

Familie Uprimny

Das führt zur Familie Uprimny, die eine Villa in der Allee besaßen, die den Nazis und dann den 1970er Jahren zum Opfer fiel. Eine Wohnhausanlage befindet sich nun dort. Die Familie emigrierte nach Kolumbien. Und ich schrieb willkürlich einem Anwalt in Caracas selben Namens. Eine Antwort bekam ich lange nicht, bis mir Carolina Uprimny schrieb, sie lebe in Wien und würde mich gern treffen. Was für ein Geschenk, denn sie hat nicht nur unglaublich konzis Familienforschung betrieben. Sie lässt mich an den Familientradierungen teilhaben – die eigentlich gar nicht existieren. Das große Schweigen der Emigranten betrifft auch diese Familie. Und die Nachkommen müssen sich mühsam die Familiengeschichte zurückerkämpfen.

Ich bin erst am Beginn des Buches – und doch habe ich bereits das Gefühl, dass sich unglaublich viel auftun wird. Eine spannende Reise.

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