Im Grundbuch von Gmunden stoße ich auf die Familie Adler – und verstehe sofort, dass ich gerade diese Familie schon lange kenne, denn die Brüder von Frau Adler, Sigmund und Leopold Natzler, begründen das Kabarett und Theater „Die Hölle“, über das ich seit 10 Jahren forsche – Kontakt mit den Adler-Nachkommen inbegriffen. Ich kontaktiere also Paul und Stefan Adler – und kann nach einem Abendessen aus dem Vollen schöpfen – Stefan hat unglaublich akribisch recherchiert und stellt mir alle Unterlagen zur Verfügung. Ein vielschichtiges und spannendes Kapitel ergibt sich daraus.
Das Kapitel über Slatin Pascha nimmt eine außergewöhnliche Wendung. In einer Fußnote lese ich, dass Briefe der Schwestern Marie und Anna Slatin im Besitz von Paul Slatin sind. Ein Blick in das Wiener Telephonbuch zeigt mir, dass er in der Peter Jordan Straße wohnt – und es fällt mir ein, dass meine Schwester mit Simone Slatin in der Klasse war – alles spielt sich im 18. Bezirk ab. Ein Zufall? Natürlich nicht. Meine Schwester findet mir die Nummer ihrer Klassenkameradin heraus – und ich hab ins Schwarze getroffen: Paul ist ihr Vater. Und besitzt einige Briefe, die er sogar transkribiert hat, denn heute kann ja niemand mehr Kurrent lesen, meint er. Zu Recht. Was für eine Freude: Der berühmte Bruder überdeckt die Schwestern, die im Grabenhof einen Modesalon betrieben haben – und ihnen gehört auch die Villa in Altmünster. Ein paar Tage muss ich mich noch gedulden, dann weiß ich mehr.
Zugleich gehe ich der Geschichte von Oskar Karbach nach – und gerate von einem national jüdischen Schriftsteller zu einer Klavierhandlung, die die gefragtesten Klaviere Wiens verkauft und vermietet – und erfindet: So ein Pedalharmonium, das als Orgelersatz auch von Anton Bruckner gespielt wurde und vor allem für Schulen und Bethäuser angeboten wird. Dieser geniale Bernhard Kohn will, dass sein Sohn in Künstlerkreisen verkehrt – das ist sicher gut für das Geschäft. Und die Rechnung geht auf: Friedrich reüssiert in jungen Jahren als Komponist und Dirigent, dann steigt er in die Fußstapfen seines Vaters.
1933 publiziert er einen Text, wie denn die „Judenfrage“ gelöst werden könnte – und erkennt bereits die Tragweite. Trotzdem ist er 1938 noch in Wien, wie erstaunlich für einen Mann mit solchem Weitblick. Er muss vieles ertragen und kann nach New York flüchten – seinen Eltern ist dies nicht vergönnt: Sie kommen in Theresienstadt und Riga um.
Und ich schreibe weiter vor mich hin: Die Klischee-Kapitel müssen eine neue Deutung bekommen. Und das gelingt mir auch: Familie Miller Aichholz wird von hinten aufgerollt, das Schicksal des Museums steht im Vordergrund. Und die Verbindung zur Familie Hannover repräsentiert Joseph Joachim, der Weltklasse-Geiger, der Jahr für Jahr während des Sommers hier Halt macht und in der evangelischen Kirche einen Benefizabend abhält.
Der 11. März bringt mir Bilder von nah und fern. Erinnerungen an Traunkirchen, aufbewahrt in Alben in Australien bei Gustav Nossal. Und am Nachmittag besuche ich seinen Cousin Franz Löwenthal in Wien – und erhalte zwei weitere Alben. Was für wunderbare Einblicke in diese vergangenen Zeiten der Sommerfrische – sie lassen doch sehr wehmütig zurück.
Und jetzt kommt endlich Fahrt in die Sache: Mein Treffen mit Paul Slatin führt mich direkt in die Familiengeschichte – Briefe und Photos liegen bereit, ich darf alles lesen und anschauen – und auch verwenden. Das gibt dem Buch eine weitere neue Dimension und ich freue mich, dass die Familien so froh und dankbar sind, in meinem Buch vorzukommen.
Herr Brixel aus Schweden schickt mir sein gesamtes Familienarchiv – er ist zu krank und schwach, um einzelne Seiten herauszufiltern und vertraut mir. Plötzlich eröffnet sich eine ganze Familiengeschichte mit Photos, Briefen und dem Gästebuch – was für ein Geschenk, hier Einblick nehmen zu können und dürfen. Eigenartigerweise hinterfragt er in keinem Mail, warum ich ihm auf Schwedisch schreibe – aber das ist ja auch egal. Und ich plane, ihn im Sommer zu besuchen, wenn ich mit Veronika nach Schweden fahre, um die Familie zu besuchen, aber auch auf den Spuren ihrer Kindheit zu wandern, denn sie will noch einmal nach Bullerbü fahren. Was für eine wunderbare Reise wird das werden!
Ende März darf ich in der Dreiecksvilla der Familien Haimberger-Mendelssohn Photoalben und Gästebücher durchstöbern – im strahlenden Sonnenschein darf ich am sonnendurchflutenden Balkon Bilder betrachten und in die Welt der Sommerfrische eintauchen. Der Verwalter erzählt mir, dass vis à vis ein Wald war, gepflanzt von Franz von Mendelssohn mit 18 verschiedenen Sorten. Vor zwei Jahren hat der neue Besitzer in einer Nacht und Nebel-Aktion den Wald gerodet – und bevor die Nachbarn die Gemeinde benachrichtigen konnten, war der Wald schon weg. Nun prangt eine große leere Wiesenfläche da, es sei plötzlich sehr windig, meint der Verwalter.
Statt eines schönen Anwesens finde ich ein Terrain mit vielen Häusern, nah aneinander liegend, vor. Nur das wuchtige Eingangstor stellt ein Relikt aus vergangenen Jahren dar – mehr ist nicht übrig.
Zurück in Gilgen wird mir einmal mehr klar, wie wunderbar dieser Ort als Familientreffpunkt ist. Die „Kleinen“ kommen zu mir wie auch die Großen – und die in der Mitte. Ich erkenne mich wieder, war auch einmal erpicht, so früh als möglich ins Wasser zu hupfen – wobei ich mich nie bei 6 Grad getraut hab. An diesem sonnigen Wochenende schreibe ich auch das Vorwort fertig – viel zu spät, aber nicht zu spät wird das Buch endlich fertig.
Catrin Neumüller als Nachkommin der Familien Köchert und Wittgenstein lässt mich ebenfalls Einblick in die Familienalben nehmen – Photos und Geschichten führen mich direkt in die Familiengeschichte.
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Im Grundbuch von Gmunden stoße ich auf die Familie Adler – und verstehe sofort, dass ich gerade diese Familie schon lange kenne, denn die Brüder von Frau Adler, Sigmund und Leopold Natzler, begründen das Kabarett und Theater „Die Hölle“, über das ich seit 10 Jahren forsche – Kontakt mit den Adler-Nachkommen inbegriffen. Ich kontaktiere also Paul und Stefan Adler – und kann nach einem Abendessen aus dem Vollen schöpfen – Stefan hat unglaublich akribisch recherchiert und stellt mir alle Unterlagen zur Verfügung. Ein vielschichtiges und spannendes Kapitel ergibt sich daraus.
Das Kapitel über Slatin Pascha nimmt eine außergewöhnliche Wendung. In einer Fußnote lese ich, dass Briefe der Schwestern Marie und Anna Slatin im Besitz von Paul Slatin sind. Ein Blick in das Wiener Telephonbuch zeigt mir, dass er in der Peter Jordan Straße wohnt – und es fällt mir ein, dass meine Schwester mit Simone Slatin in der Klasse war – alles spielt sich im 18. Bezirk ab. Ein Zufall? Natürlich nicht. Meine Schwester findet mir die Nummer ihrer Klassenkameradin heraus – und ich hab ins Schwarze getroffen: Paul ist ihr Vater. Und besitzt einige Briefe, die er sogar transkribiert hat, denn heute kann ja niemand mehr Kurrent lesen, meint er. Zu Recht. Was für eine Freude: Der berühmte Bruder überdeckt die Schwestern, die im Grabenhof einen Modesalon betrieben haben – und ihnen gehört auch die Villa in Altmünster. Ein paar Tage muss ich mich noch gedulden, dann weiß ich mehr.
Zugleich gehe ich der Geschichte von Oskar Karbach nach – und gerate von einem national jüdischen Schriftsteller zu einer Klavierhandlung, die die gefragtesten Klaviere Wiens verkauft und vermietet – und erfindet: So ein Pedalharmonium, das als Orgelersatz auch von Anton Bruckner gespielt wurde und vor allem für Schulen und Bethäuser angeboten wird. Dieser geniale Bernhard Kohn will, dass sein Sohn in Künstlerkreisen verkehrt – das ist sicher gut für das Geschäft. Und die Rechnung geht auf: Friedrich reüssiert in jungen Jahren als Komponist und Dirigent, dann steigt er in die Fußstapfen seines Vaters.
1933 publiziert er einen Text, wie denn die „Judenfrage“ gelöst werden könnte – und erkennt bereits die Tragweite. Trotzdem ist er 1938 noch in Wien, wie erstaunlich für einen Mann mit solchem Weitblick. Er muss vieles ertragen und kann nach New York flüchten – seinen Eltern ist dies nicht vergönnt: Sie kommen in Theresienstadt und Riga um.
Und ich schreibe weiter vor mich hin: Die Klischee-Kapitel müssen eine neue Deutung bekommen. Und das gelingt mir auch: Familie Miller Aichholz wird von hinten aufgerollt, das Schicksal des Museums steht im Vordergrund. Und die Verbindung zur Familie Hannover repräsentiert Joseph Joachim, der Weltklasse-Geiger, der Jahr für Jahr während des Sommers hier Halt macht und in der evangelischen Kirche einen Benefizabend abhält.
Der 11. März bringt mir Bilder von nah und fern. Erinnerungen an Traunkirchen, aufbewahrt in Alben in Australien bei Gustav Nossal. Und am Nachmittag besuche ich seinen Cousin Franz Löwenthal in Wien – und erhalte zwei weitere Alben. Was für wunderbare Einblicke in diese vergangenen Zeiten der Sommerfrische – sie lassen doch sehr wehmütig zurück.
Und jetzt kommt endlich Fahrt in die Sache: Mein Treffen mit Paul Slatin führt mich direkt in die Familiengeschichte – Briefe und Photos liegen bereit, ich darf alles lesen und anschauen – und auch verwenden. Das gibt dem Buch eine weitere neue Dimension und ich freue mich, dass die Familien so froh und dankbar sind, in meinem Buch vorzukommen.
Herr Brixel aus Schweden schickt mir sein gesamtes Familienarchiv – er ist zu krank und schwach, um einzelne Seiten herauszufiltern und vertraut mir. Plötzlich eröffnet sich eine ganze Familiengeschichte mit Photos, Briefen und dem Gästebuch – was für ein Geschenk, hier Einblick nehmen zu können und dürfen. Eigenartigerweise hinterfragt er in keinem Mail, warum ich ihm auf Schwedisch schreibe – aber das ist ja auch egal. Und ich plane, ihn im Sommer zu besuchen, wenn ich mit Veronika nach Schweden fahre, um die Familie zu besuchen, aber auch auf den Spuren ihrer Kindheit zu wandern, denn sie will noch einmal nach Bullerbü fahren. Was für eine wunderbare Reise wird das werden!
Ende März darf ich in der Dreiecksvilla der Familien Haimberger-Mendelssohn Photoalben und Gästebücher durchstöbern – im strahlenden Sonnenschein darf ich am sonnendurchflutenden Balkon Bilder betrachten und in die Welt der Sommerfrische eintauchen. Der Verwalter erzählt mir, dass vis à vis ein Wald war, gepflanzt von Franz von Mendelssohn mit 18 verschiedenen Sorten. Vor zwei Jahren hat der neue Besitzer in einer Nacht und Nebel-Aktion den Wald gerodet – und bevor die Nachbarn die Gemeinde benachrichtigen konnten, war der Wald schon weg. Nun prangt eine große leere Wiesenfläche da, es sei plötzlich sehr windig, meint der Verwalter.
Statt eines schönen Anwesens finde ich ein Terrain mit vielen Häusern, nah aneinander liegend, vor. Nur das wuchtige Eingangstor stellt ein Relikt aus vergangenen Jahren dar – mehr ist nicht übrig.
Zurück in Gilgen wird mir einmal mehr klar, wie wunderbar dieser Ort als Familientreffpunkt ist. Die „Kleinen“ kommen zu mir wie auch die Großen – und die in der Mitte. Ich erkenne mich wieder, war auch einmal erpicht, so früh als möglich ins Wasser zu hupfen – wobei ich mich nie bei 6 Grad getraut hab. An diesem sonnigen Wochenende schreibe ich auch das Vorwort fertig – viel zu spät, aber nicht zu spät wird das Buch endlich fertig.
Catrin Neumüller als Nachkommin der Familien Köchert und Wittgenstein lässt mich ebenfalls Einblick in die Familienalben nehmen – Photos und Geschichten führen mich direkt in die Familiengeschichte.
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