Nach dem Besuch im Geymüller-Schlössel geht es gleich weiter. Meine Nachbarin, deren Familie eine Villa vis à vis besaß, kommt mit einem Photoalbum aus den 1930er Jahren, Außenansichten und Interieur im reinsten 1930er Stil sind hier vereint. Jetzt muss ich noch herausfinden, wer denn der Architekt war. Ein spannendes Projekt des neuen Buches. Fast scheint es, dass Joseph Frank für das Interieur verantwortlich zeichnet – aber noch kann ich dies nicht bestätigen. Der Stil entspricht jedoch vollkommen den 1930er Jahren – in meinen Forschungen zur Frauenkunst dieser Zeit spiegelt er sich eins zu eins wider.
Es entstehen wunderbaren Themen, die plötzlich eine Verbindung zwischen der Hölle und dem neuen Buch herstellen. Die neue Ausstellung widmet sich dem Orient und dessen Faszination im Okzident. Die Leidenschaft, Geschichten zu erzählen, das fremde Leben in Serail und Harem beschäftigt die westliche Welt. In den Kabaretts nimmt man dieses Fremde liebevoll aufs Korn (woher kommt dieser eigenartige Begriff, frage ich mich gerade! Muss wohl aus der Sprache der Jäger stammen.). Schon Mozart wusste um die Geheimnisse des Serails – und die Janitscharenmusik war bereits im 18. Jahrhundert en vogue. Die Kabaretts und Unterhaltungsbühnen des 20. Jahrhunderts thematisieren den Orient – resche Wiener Mädel widersetzen sich den Avancen mächtiger Sultane, eines der Hauptthemen. Eigentlich ziemlich feministisch: Die westlichen emanzipierten Damen akzeptieren das patriarchalische System des Orients nicht. Und das in einer Zeit, in der auch Europa noch nicht sehr emanzipiert dachte. Erdacht von männlichen Librettisten. Das wäre ein Thema, über das man noch viel nachdenken könnte.
Und wie passt das zu Pötzleinsdorf? Da gibt es die Familie Akif, türkische Kaufleute in Wien, die Tochter mit meiner Großmutter befreundet. Und um es auf einen grünen Zweig zu bringen: Zwei liberale Kulturen treffen aufeinander. Mädchenbildung, Toleranz, Sprachenkenntnisse, die Bedeutung der schwedischen Gymnastik, Internationalität, Netzwerke. Da sind die Werte des liberalen Großbürgertums Mitteleuropas, meist mit jüdischen Wurzeln. Und das sind die Werte der upper class Salonikis. Moslems mit – jüdischen Wurzeln. Die sogenannten Gönme stellen eine ganz eigene, abgeschottete, trotzdem offene und liberale Schicht dar – die Unterschiede zu Wien erscheinen marginal. Die Religion per se tritt zurück: Toleranz und Modernität stehen im Mittelpunkt. Kein Wunder, dass sich meine Großmutter mit Messoureh Akif befreundet hat – zwei Welten, aber ein Gedanke. Wie wunderbar zu erkennen, dass Toleranz und Weltoffenheit in allen Kulturen existiert – man muss sie nur suchen. Und finden.
Teile diesen Beitrag
Nach dem Besuch im Geymüller-Schlössel geht es gleich weiter. Meine Nachbarin, deren Familie eine Villa vis à vis besaß, kommt mit einem Photoalbum aus den 1930er Jahren, Außenansichten und Interieur im reinsten 1930er Stil sind hier vereint. Jetzt muss ich noch herausfinden, wer denn der Architekt war. Ein spannendes Projekt des neuen Buches. Fast scheint es, dass Joseph Frank für das Interieur verantwortlich zeichnet – aber noch kann ich dies nicht bestätigen. Der Stil entspricht jedoch vollkommen den 1930er Jahren – in meinen Forschungen zur Frauenkunst dieser Zeit spiegelt er sich eins zu eins wider.
Es entstehen wunderbaren Themen, die plötzlich eine Verbindung zwischen der Hölle und dem neuen Buch herstellen. Die neue Ausstellung widmet sich dem Orient und dessen Faszination im Okzident. Die Leidenschaft, Geschichten zu erzählen, das fremde Leben in Serail und Harem beschäftigt die westliche Welt. In den Kabaretts nimmt man dieses Fremde liebevoll aufs Korn (woher kommt dieser eigenartige Begriff, frage ich mich gerade! Muss wohl aus der Sprache der Jäger stammen.). Schon Mozart wusste um die Geheimnisse des Serails – und die Janitscharenmusik war bereits im 18. Jahrhundert en vogue. Die Kabaretts und Unterhaltungsbühnen des 20. Jahrhunderts thematisieren den Orient – resche Wiener Mädel widersetzen sich den Avancen mächtiger Sultane, eines der Hauptthemen. Eigentlich ziemlich feministisch: Die westlichen emanzipierten Damen akzeptieren das patriarchalische System des Orients nicht. Und das in einer Zeit, in der auch Europa noch nicht sehr emanzipiert dachte. Erdacht von männlichen Librettisten. Das wäre ein Thema, über das man noch viel nachdenken könnte.
Und wie passt das zu Pötzleinsdorf? Da gibt es die Familie Akif, türkische Kaufleute in Wien, die Tochter mit meiner Großmutter befreundet. Und um es auf einen grünen Zweig zu bringen: Zwei liberale Kulturen treffen aufeinander. Mädchenbildung, Toleranz, Sprachenkenntnisse, die Bedeutung der schwedischen Gymnastik, Internationalität, Netzwerke. Da sind die Werte des liberalen Großbürgertums Mitteleuropas, meist mit jüdischen Wurzeln. Und das sind die Werte der upper class Salonikis. Moslems mit – jüdischen Wurzeln. Die sogenannten Gönme stellen eine ganz eigene, abgeschottete, trotzdem offene und liberale Schicht dar – die Unterschiede zu Wien erscheinen marginal. Die Religion per se tritt zurück: Toleranz und Modernität stehen im Mittelpunkt. Kein Wunder, dass sich meine Großmutter mit Messoureh Akif befreundet hat – zwei Welten, aber ein Gedanke. Wie wunderbar zu erkennen, dass Toleranz und Weltoffenheit in allen Kulturen existiert – man muss sie nur suchen. Und finden.
Folgen Sie mir: