Eine wahrlich neue Ära an der Wiener Staatsoper.
1996 bin ich nach New York geflogen. Um mir die die Zeit zu vertreiben, gab es einige Radiosender, einer davon spielte Madame Butterfly. Ich hörte sie in Dauerschleife und geriet in eine Art von Trance. Dies Erinnerung kehrt jedes Mal zurück, wenn ich diese Oper höre und sehe.
Ich hab die Butterfly in verschiedenen Inszenierungen gesehen und immer hat mich die Geschichte berührt. Doch heute bekommt diese Oper eine neue Dimension. Ich habe für die Premiere keine Pressekarte bekommen – zu viele Anfragen und zu wenige Karten. Schade. Aber der ORF macht es möglich: Ich kann die Oper im livestream ansehen. Und denke plötzlich: Vielleicht ist das sogar besser. Nein, sicher nicht. Oper live zu erleben, kann nichts ersetzen. Und doch: Diese Übertragung hat die Qualität von großem, sehr großem Kino.
Bogdan Roščić hat die Staatsoper 4.0 versprochen, was ich nie verstanden hab. Doch heute wird klar: Oper vereint sich im besten Sinne mit Cinemascope. Was für Bilder entstehen, verzaubern, beglücken, leiden – große Oper, wie man sich nur wünschen kann. Ich gebe zu, dass ich skeptisch war. 20 Jahre alte Produktionen sollen die Erneuerung der Oper in Wien einläuten? Das ist der Schlüssel zur Zukunft? Nach dem heutigen Abend sage ich ja.
Großartige Stimmen und ebensolche Darstellungskraft vereinen sich zu einem Gesamtkunstwerk, das in den Bann zieht, verstärkt durch ein Bühnenbild, das großes Kino bietet, und Details, die ganz dem Text, der Geschichte entsprechen. Das Werk steht im Mittelpunkt. Und so soll es sein.
Anthony Minghella machte als Filmregisseur Furore – und dies gilt auch für seine Butterfly. Großes Kino mit vielen Facetten. Allein die Spiegelung der Szenerie läßt diese doppelt beeindruckend wirken.
Und endlich komme ich zur Musik. Asmik Grigorian ist Madame Butterfly – oder wie sie selbst sagt: Madame F. B. Pinkerton. Was für eine außergewöhnliche Sängerin und Darstellerin, die nicht spielt, sondern die Butterfly ist und spürt. Ein wahres Geschenk. Wie ist es möglich, dass die Puppe ihres Kindes solch ausdrucksstarke Blicke und Mimik wiedergeben kann? Ein Mysterium.
Doch auch Freddie De Tommaso haucht Pinkerton Leben ein – und wandelt sich stimmgewaltig und ausdrucksstark vom kurzzeitig verliebten Offizier zum reuevollen Mann, der eine andere Entscheidung für sein Leben trifft. Die Butterfly Asmik Grigorians erkennt dies alles ganz genau und ihre Dienerin Suzuki Virginie Verrez ebenfalls. Auch der amerikanische Konsul, Boris Pinkhasovich, fühlt sich nicht wohl in seiner Haut – und versucht, eine Lösung zu finden – wissend, dass es diese nicht geben kann. Der Bub als so irritierende und zugleich ausdrucksstarke Puppe dargestellt, muss fort nach Amerika. „Mich bringt die Reue um“, sagt Pinkerton.
Philippe Jordan, der neue Musikdirektor der Staatsoper, lässt die Butterfly zu einem musikalischen Krimi werden – die Spannung der Inszenierung spiegelt sich in der musikalischen Interpretation. Was für ein Zusammenspiel. Was für eine Steigerung der Dramatik. Allein die Szene des Abschieds von ihrem Buben steigert die Dramatik fast ins Bodenlose. Die Butterfly öffnet die Kiste ihrer Erinnerungen. Darin befindet sich der Dolch, den einst der Mikado ihrem Vater geschickt hatte. Doch noch kommt ihr ihr Sohn in die Quere. Aber: Sie muss sterben, damit ihr Sohn über das Meer fahren kann. Was für ein Moment. Musikalisch, darstellerisch. Szenisch.
Wenn dieser Abend der Wegweiser für die Wiener Staatsoper der nächsten Jahre ist, dann kann ich nur sagen: Es wird großartig werden!
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Eine wahrlich neue Ära an der Wiener Staatsoper.
1996 bin ich nach New York geflogen. Um mir die die Zeit zu vertreiben, gab es einige Radiosender, einer davon spielte Madame Butterfly. Ich hörte sie in Dauerschleife und geriet in eine Art von Trance. Dies Erinnerung kehrt jedes Mal zurück, wenn ich diese Oper höre und sehe.
Ich hab die Butterfly in verschiedenen Inszenierungen gesehen und immer hat mich die Geschichte berührt. Doch heute bekommt diese Oper eine neue Dimension. Ich habe für die Premiere keine Pressekarte bekommen – zu viele Anfragen und zu wenige Karten. Schade. Aber der ORF macht es möglich: Ich kann die Oper im livestream ansehen. Und denke plötzlich: Vielleicht ist das sogar besser. Nein, sicher nicht. Oper live zu erleben, kann nichts ersetzen. Und doch: Diese Übertragung hat die Qualität von großem, sehr großem Kino.
Bogdan Roščić hat die Staatsoper 4.0 versprochen, was ich nie verstanden hab. Doch heute wird klar: Oper vereint sich im besten Sinne mit Cinemascope. Was für Bilder entstehen, verzaubern, beglücken, leiden – große Oper, wie man sich nur wünschen kann. Ich gebe zu, dass ich skeptisch war. 20 Jahre alte Produktionen sollen die Erneuerung der Oper in Wien einläuten? Das ist der Schlüssel zur Zukunft? Nach dem heutigen Abend sage ich ja.
Großartige Stimmen und ebensolche Darstellungskraft vereinen sich zu einem Gesamtkunstwerk, das in den Bann zieht, verstärkt durch ein Bühnenbild, das großes Kino bietet, und Details, die ganz dem Text, der Geschichte entsprechen. Das Werk steht im Mittelpunkt. Und so soll es sein.
Anthony Minghella machte als Filmregisseur Furore – und dies gilt auch für seine Butterfly. Großes Kino mit vielen Facetten. Allein die Spiegelung der Szenerie läßt diese doppelt beeindruckend wirken.
Und endlich komme ich zur Musik. Asmik Grigorian ist Madame Butterfly – oder wie sie selbst sagt: Madame F. B. Pinkerton. Was für eine außergewöhnliche Sängerin und Darstellerin, die nicht spielt, sondern die Butterfly ist und spürt. Ein wahres Geschenk. Wie ist es möglich, dass die Puppe ihres Kindes solch ausdrucksstarke Blicke und Mimik wiedergeben kann? Ein Mysterium.
Doch auch Freddie De Tommaso haucht Pinkerton Leben ein – und wandelt sich stimmgewaltig und ausdrucksstark vom kurzzeitig verliebten Offizier zum reuevollen Mann, der eine andere Entscheidung für sein Leben trifft. Die Butterfly Asmik Grigorians erkennt dies alles ganz genau und ihre Dienerin Suzuki Virginie Verrez ebenfalls. Auch der amerikanische Konsul, Boris Pinkhasovich, fühlt sich nicht wohl in seiner Haut – und versucht, eine Lösung zu finden – wissend, dass es diese nicht geben kann. Der Bub als so irritierende und zugleich ausdrucksstarke Puppe dargestellt, muss fort nach Amerika. „Mich bringt die Reue um“, sagt Pinkerton.
Philippe Jordan, der neue Musikdirektor der Staatsoper, lässt die Butterfly zu einem musikalischen Krimi werden – die Spannung der Inszenierung spiegelt sich in der musikalischen Interpretation. Was für ein Zusammenspiel. Was für eine Steigerung der Dramatik. Allein die Szene des Abschieds von ihrem Buben steigert die Dramatik fast ins Bodenlose. Die Butterfly öffnet die Kiste ihrer Erinnerungen. Darin befindet sich der Dolch, den einst der Mikado ihrem Vater geschickt hatte. Doch noch kommt ihr ihr Sohn in die Quere. Aber: Sie muss sterben, damit ihr Sohn über das Meer fahren kann. Was für ein Moment. Musikalisch, darstellerisch. Szenisch.
Wenn dieser Abend der Wegweiser für die Wiener Staatsoper der nächsten Jahre ist, dann kann ich nur sagen: Es wird großartig werden!
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