„Stundenpläne bleiben aufrecht, alle Fächer bis auf Sport und Musik werden unterrichtet…“

Ich hab ein bißl gebraucht, um diese interessante Prioritätensetzung zu analysieren. Ok. Überfüllte Garderoben und beim Singen vor Begeisterung spuckende Menschen muten in der momentanen Situation eher merkwürdig an. Aber es gibt wohl noch andere Blickwinkel. Der Sport ist vielleicht nicht so ganz mein Metier. Aber deshalb versagt meine Phantasie doch nicht völlig: Enge, dunkle Turnsäle zählen zu den Erinnerungen unserer Kindheit in den 1970er Jahren: Wer wollte schon über Böcke springen, auf Seile klettern – und wer hat schon den vermaledeiten Felgeaufschwung geschafft? Meine Schwester. Aber sonst kenne ich niemanden. Beim Völkerball war ich unbeliebt und hab doch einer Klassenkameradin einen Finger gebrochen – denn an mir kam niemand vorbei. Und ich entschuldige mich dafür auch heute noch.

Wir hatten also Turnunterricht – doch heute gibt es neue Ideen, Moden, Praktiken. Eine davon ist: Laufen. Finde ich persönlich etwas phantasielos, aber doch effektiv, ohne großen Aufwand. Etwas anderes ist Parcour und Freeruning. Da reichen schon eine Parkbank, etwaige Stufen oder irgendwelche Barrieren. Ja, ich weiß, da kommen gleich irgendwelche Versicherungsargumente. Und doch: Im Rahmen des Schulunterrichts sollte das fade Laufen auch mit diesen viel lustigeren Bewegungsarten gleichgesetzt werden – Tai Chi in Parks, Yoga auf öffentlichen Plätzen, Laufen im Kreis. Wem schadet das? Im Gegenteil: Die meisten Schüler und Schülerinnen haben sich in den vergangenen Wochen viel zu wenig bewegt – also hinaus an die frische Luft mit allen! Phantasie ist gefragt!

Und nun zum Musikunterricht, der offenbar sehr gefährlich ist – oder in der momentanen Kulturdebatte völlig unwichtig. Wenn zwanzig Kinder gleichzeitig singen, ist das vielleicht keine gute Idee. Aber wie oft passiert das im Unterricht? Warum ist die Beschäftigung mit Komponisten, mit Musikrichtungen, mit Musikstilen nicht nur zwei-, sondern letztrangig? Musizieren mit mehreren Künstlern samt Abstand bleibt möglich – und Unterrichtsmodelle daher ebenfalls. Singen und Musizieren virtuell gemeinsam ist längst gang und gäbe – eine neue Chance auch für die Schulen, das kreative Potential der Schüler zu nützen. Spielt auf Eurem Instrument, singt Euren Lieblingssong, trommelt auf Kochtöpfen, mischt in diversen Programmen Euren Lieblingssound – ich bin überzeugt, dass uns das kreative Potential überwältigen wird!

Moment. Kultur im Unterricht hatte in den vergangenen Jahren eher reduzierten Stellenwert, höflich gesagt. Aber wir brüsten uns nach wie vor mit der grandiosen Kulturnation Österreich. Die liegt momentan leider völlig darnieder.

Denn der Sommer naht. Und damit unzählige Festivals – groß und klein, outdoor und indoor, groß besetzt oder klein und fein. Wir bestimmen den Sommer, wir ziehen Gäste an, wir schaffen Arbeitsmöglichkeiten für freischaffende Musiker, wir freuen uns, Kultur und Musik zu verbreiten. Und wir freuen uns, dies auch unter beschwerlichen Umständen zu tun – denn kulturelle Veranstaltungen prägen die Sommerwochen, bringen Freude und Zufriedenheit – und bringen auch eine soziale Sicherheit mit sich.

Lasst uns spielen – mit Einschränkungen und Sicherheiten. Aber nehmt den Menschen nicht die Freude und das Glück von Musik und Kultur. Der Preis ist zu hoch.

Teile diesen Beitrag

Neueste Beiträge

Archive

„Stundenpläne bleiben aufrecht, alle Fächer bis auf Sport und Musik werden unterrichtet…“

Ich hab ein bißl gebraucht, um diese interessante Prioritätensetzung zu analysieren. Ok. Überfüllte Garderoben und beim Singen vor Begeisterung spuckende Menschen muten in der momentanen Situation eher merkwürdig an. Aber es gibt wohl noch andere Blickwinkel. Der Sport ist vielleicht nicht so ganz mein Metier. Aber deshalb versagt meine Phantasie doch nicht völlig: Enge, dunkle Turnsäle zählen zu den Erinnerungen unserer Kindheit in den 1970er Jahren: Wer wollte schon über Böcke springen, auf Seile klettern – und wer hat schon den vermaledeiten Felgeaufschwung geschafft? Meine Schwester. Aber sonst kenne ich niemanden. Beim Völkerball war ich unbeliebt und hab doch einer Klassenkameradin einen Finger gebrochen – denn an mir kam niemand vorbei. Und ich entschuldige mich dafür auch heute noch.

Wir hatten also Turnunterricht – doch heute gibt es neue Ideen, Moden, Praktiken. Eine davon ist: Laufen. Finde ich persönlich etwas phantasielos, aber doch effektiv, ohne großen Aufwand. Etwas anderes ist Parcour und Freeruning. Da reichen schon eine Parkbank, etwaige Stufen oder irgendwelche Barrieren. Ja, ich weiß, da kommen gleich irgendwelche Versicherungsargumente. Und doch: Im Rahmen des Schulunterrichts sollte das fade Laufen auch mit diesen viel lustigeren Bewegungsarten gleichgesetzt werden – Tai Chi in Parks, Yoga auf öffentlichen Plätzen, Laufen im Kreis. Wem schadet das? Im Gegenteil: Die meisten Schüler und Schülerinnen haben sich in den vergangenen Wochen viel zu wenig bewegt – also hinaus an die frische Luft mit allen! Phantasie ist gefragt!

Und nun zum Musikunterricht, der offenbar sehr gefährlich ist – oder in der momentanen Kulturdebatte völlig unwichtig. Wenn zwanzig Kinder gleichzeitig singen, ist das vielleicht keine gute Idee. Aber wie oft passiert das im Unterricht? Warum ist die Beschäftigung mit Komponisten, mit Musikrichtungen, mit Musikstilen nicht nur zwei-, sondern letztrangig? Musizieren mit mehreren Künstlern samt Abstand bleibt möglich – und Unterrichtsmodelle daher ebenfalls. Singen und Musizieren virtuell gemeinsam ist längst gang und gäbe – eine neue Chance auch für die Schulen, das kreative Potential der Schüler zu nützen. Spielt auf Eurem Instrument, singt Euren Lieblingssong, trommelt auf Kochtöpfen, mischt in diversen Programmen Euren Lieblingssound – ich bin überzeugt, dass uns das kreative Potential überwältigen wird!

Moment. Kultur im Unterricht hatte in den vergangenen Jahren eher reduzierten Stellenwert, höflich gesagt. Aber wir brüsten uns nach wie vor mit der grandiosen Kulturnation Österreich. Die liegt momentan leider völlig darnieder.

Denn der Sommer naht. Und damit unzählige Festivals – groß und klein, outdoor und indoor, groß besetzt oder klein und fein. Wir bestimmen den Sommer, wir ziehen Gäste an, wir schaffen Arbeitsmöglichkeiten für freischaffende Musiker, wir freuen uns, Kultur und Musik zu verbreiten. Und wir freuen uns, dies auch unter beschwerlichen Umständen zu tun – denn kulturelle Veranstaltungen prägen die Sommerwochen, bringen Freude und Zufriedenheit – und bringen auch eine soziale Sicherheit mit sich.

Lasst uns spielen – mit Einschränkungen und Sicherheiten. Aber nehmt den Menschen nicht die Freude und das Glück von Musik und Kultur. Der Preis ist zu hoch.

Neueste Beiträge

Archive

Teile diesen Beitrag