Sommerfrische – ein weibliches Phänomen

Plötzlich ist die Sommerfrische wieder in aller Munde – aber wird die Bedeutung dieser Lebensform auch klar? Denn eigentlich beschreibt sie ein sehr konventionelles Lebensprinzip – das es heute natürlich noch immer gibt. Die Damen übersiedeln mit Kind und Personal im Juni aufs Land und bleiben bis zum Herbst. Die Herren verweilen in der Stadt, und wir wollen einmal annehmen, dass beide Gruppen das Leben am jeweiligen Ort entspannt genießen. Am Wochenende pendeln die Herren in die jeweiligen Sommerfrischen – die sonntäglichen Züge heißen nicht umsonst „Busserlzug“. Für die Wochentage geht wieder jeder seiner Wege. Und alle sind zufrieden.

Die Damen und Kinder am Land treffen einander – denn das ist eines der Merkmale der Sommerfrische. Familien und Freundesgruppen verbringen den Sommer am selben Ort und unternehmen viel miteinander: Man kraxelt gemeinsam auf die Berge, geht segeln, kommt zusammen in den diversen Bootshäusern (auch wenn es noch nicht common sense ist, dass alle schwimmen können). Es wird Karten gespielt, musiziert und gejausnet – ein integrativer Bestandteil der Sommerfrische.

Wohltätigkeit

Benefizveranstaltungen geben den Sommerfrischlern Gelegenheit, sich zu betätigen und zugleich Gutes zu tun. Denn eines muss deutlich gesagt werden: Ohne die Sommerfrischler wäre vieles nicht möglich. Sie sammeln die Mittel, um den einheimischen Kindern Schuhe zu kaufen, eine Suppenküche einzurichten, einen Christbaum zu ermöglichen, Weihnachtsgeschenke zu erstehen. Aber auch um die Armen zu unterstützen und den Orten zu helfen, sich zu entwickeln. Die von den Sommerfrischlern gegründeten Verschönerungsvereine sind die Vorläufer der Tourismusvereine – ohne das Engagement der „Städter“ lägen die Orte brach.

Die “bösen” Zweitwohnbesitzer

Das Nichtwissen um diese Ursprünge führt heutzutage zu der grotesken Situation, dass die nun sogenannten „Zweitwohnbesitzer“ zum Feindbild werden – ohne Differenzierung. Natürlich gibt es die Krabbler, die in ihr kleines Appartement mit den Aldi-Vorräten kommen und nichts im Ort lassen. Aber es gibt auch diejenigen, die sich auch heute dem Ort verbunden fühlen und gerne hier einkaufen, die einheimischen Handwerker beschäftigen und Teil des Ortes sind.

Massentourismus – Prostitution

Und dann gibt es die Orte, die sich gegenüber dem asiatischen geprägten Massentourismus prostituieren – leider profitieren immer nur wenige davon, alle anderen leiden an dieser Entwicklung. Doch wo bleibt der Aufschrei? Der Ruf nach Qualität statt Quantität? Der muss viel lauter werden, die Gastgeber müssen wieder mehr den Geist der Sommerfrische empfinden: Regen erfrischt die Landschaft und ist ein Gegengewicht zur heißen Großstadt – denn das war der Sinn der ursprünglichen Sommerfrische. Holzveranden verhalfen den Gästen, gute und frische Luft zu tanken – in den Großstädten war dies nicht zu finden.

Ruhe, Entspannung und gemächlicher Alltag prägten die Sommerfrische, die heute aus verschiedenen Gründen kaum mehr möglich ist. Drei Monate am Land – war kann sich das schon leisten? Du dies eingebettet in Familie und Freunde, die den Sommer gemeinsam verbringen – auch dies gibt es heute kaum mehr.

Insofern kann die Idee des Tourismus, „Sommerfrische“ als neues Phänomen zu vermarkten, nicht mehr greifen – denn die Gesellschaftsschicht, die diese Lebensform geprägt hat, gibt es nur mehr rudimentär. Für die Masse ist dieses Konzept nicht umsetzbar – denn die Idee, dass Paare gerne wandern gehen – und dies in Funktionskleidung – entspricht in keinster Weise der Idee der Sommerfrische. Die Geisteshaltung, die sie geprägt hat, wurde eliminiert – und es gibt nur mehr eine Handvoll Familien, die diesen Geist aufrechterhält. Zu Recht: Denn dies gehört zu den wichtigen Kultureigenschaften unserer Gesellschaft.

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Sommerfrische – ein weibliches Phänomen

Plötzlich ist die Sommerfrische wieder in aller Munde – aber wird die Bedeutung dieser Lebensform auch klar? Denn eigentlich beschreibt sie ein sehr konventionelles Lebensprinzip – das es heute natürlich noch immer gibt. Die Damen übersiedeln mit Kind und Personal im Juni aufs Land und bleiben bis zum Herbst. Die Herren verweilen in der Stadt, und wir wollen einmal annehmen, dass beide Gruppen das Leben am jeweiligen Ort entspannt genießen. Am Wochenende pendeln die Herren in die jeweiligen Sommerfrischen – die sonntäglichen Züge heißen nicht umsonst „Busserlzug“. Für die Wochentage geht wieder jeder seiner Wege. Und alle sind zufrieden.

Die Damen und Kinder am Land treffen einander – denn das ist eines der Merkmale der Sommerfrische. Familien und Freundesgruppen verbringen den Sommer am selben Ort und unternehmen viel miteinander: Man kraxelt gemeinsam auf die Berge, geht segeln, kommt zusammen in den diversen Bootshäusern (auch wenn es noch nicht common sense ist, dass alle schwimmen können). Es wird Karten gespielt, musiziert und gejausnet – ein integrativer Bestandteil der Sommerfrische.

Wohltätigkeit

Benefizveranstaltungen geben den Sommerfrischlern Gelegenheit, sich zu betätigen und zugleich Gutes zu tun. Denn eines muss deutlich gesagt werden: Ohne die Sommerfrischler wäre vieles nicht möglich. Sie sammeln die Mittel, um den einheimischen Kindern Schuhe zu kaufen, eine Suppenküche einzurichten, einen Christbaum zu ermöglichen, Weihnachtsgeschenke zu erstehen. Aber auch um die Armen zu unterstützen und den Orten zu helfen, sich zu entwickeln. Die von den Sommerfrischlern gegründeten Verschönerungsvereine sind die Vorläufer der Tourismusvereine – ohne das Engagement der „Städter“ lägen die Orte brach.

Die “bösen” Zweitwohnbesitzer

Das Nichtwissen um diese Ursprünge führt heutzutage zu der grotesken Situation, dass die nun sogenannten „Zweitwohnbesitzer“ zum Feindbild werden – ohne Differenzierung. Natürlich gibt es die Krabbler, die in ihr kleines Appartement mit den Aldi-Vorräten kommen und nichts im Ort lassen. Aber es gibt auch diejenigen, die sich auch heute dem Ort verbunden fühlen und gerne hier einkaufen, die einheimischen Handwerker beschäftigen und Teil des Ortes sind.

Massentourismus – Prostitution

Und dann gibt es die Orte, die sich gegenüber dem asiatischen geprägten Massentourismus prostituieren – leider profitieren immer nur wenige davon, alle anderen leiden an dieser Entwicklung. Doch wo bleibt der Aufschrei? Der Ruf nach Qualität statt Quantität? Der muss viel lauter werden, die Gastgeber müssen wieder mehr den Geist der Sommerfrische empfinden: Regen erfrischt die Landschaft und ist ein Gegengewicht zur heißen Großstadt – denn das war der Sinn der ursprünglichen Sommerfrische. Holzveranden verhalfen den Gästen, gute und frische Luft zu tanken – in den Großstädten war dies nicht zu finden.

Ruhe, Entspannung und gemächlicher Alltag prägten die Sommerfrische, die heute aus verschiedenen Gründen kaum mehr möglich ist. Drei Monate am Land – war kann sich das schon leisten? Du dies eingebettet in Familie und Freunde, die den Sommer gemeinsam verbringen – auch dies gibt es heute kaum mehr.

Insofern kann die Idee des Tourismus, „Sommerfrische“ als neues Phänomen zu vermarkten, nicht mehr greifen – denn die Gesellschaftsschicht, die diese Lebensform geprägt hat, gibt es nur mehr rudimentär. Für die Masse ist dieses Konzept nicht umsetzbar – denn die Idee, dass Paare gerne wandern gehen – und dies in Funktionskleidung – entspricht in keinster Weise der Idee der Sommerfrische. Die Geisteshaltung, die sie geprägt hat, wurde eliminiert – und es gibt nur mehr eine Handvoll Familien, die diesen Geist aufrechterhält. Zu Recht: Denn dies gehört zu den wichtigen Kultureigenschaften unserer Gesellschaft.

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