Übermorgen, am Mittwoch, dem 4. November, sollte unsere neue Produktion in der Hölle „Reif für die Insel“ stattfinden, und zugleich wäre auch meine Ausstellung „Perfides Albion – Exil in Großbritannien“ eröffnet worden.
Nun war es seit einigen Tagen klar, dass dies so wohl nicht stattfinden würde. Und doch: Heute habe ich meine Ausstellung aufgebaut, habe vier Vitrinen mit Umsicht und Begeisterung bestückt. Eine ist den Royals gewidmet – die Rückwand ist gespickt mit Photos der Royals – mit einem amüsiert-liebevollen Blick durchmischt mit Portraits aus Downton Abbey und The Crown. Die zweite Vitrine widmet sich dem Exil in England und den Proponenten Peter Herz und Richard Tauber, doch gab es noch viel mehr Künstler, die in England Zuflucht finden konnten. Fritz Schrecker und Siegfried Tisch prägen Das Laterndl und den Blue Danube Club als Sammelpunkte der österreichischen Emigration.
Was fehlt uns gerade? Das Schweifen in die Ferne. Auch diesem Bedürfnis widme ich eine Vitrine – Notenblätter und Souvenirs aus aller Welt. Natürlich mit Augenzwinkern. Doch eigentlich bleiben wir zu Hause – und dies hat sich im Wienerlied niedergeschlagen, meist geschaffen von jüdischen Textern und Komponisten.
Im Prater blüh’n wieder die Bäume…
Die Ausstellung wird fertig und zugleich beginnt der Durchlauf der Hölle-Produktion. Was für ein Geschenk, dies mitzuerleben, mitzusummen und mit Flaggen zu winken. Mit Wehmut und zugleich einem Glücksgefühl endet dieser Nachmittag. Und setzt sich wenige Stunden später in der Volksoper fort. König Karotte, die zeitlos aktuelle Offenbach-Operette, zieht das Publikum in seinen Bann – was für ein entlarvendes Stück: Opportunismus, Korruption, Mitläufertum. Das Lachen bleibt einem im Hals stecken. Großartige Leistung des Chores mit wortdeutlicher Präzision, wunderbare Hauptdarsteller/innen, die den oft doch sehr schrägen Rollen ein eigenes Gepräge verleihen. Beglückend. Im Schlussapplaus mischen sich Glück und Dankbarkeit gepaart mit Wehmut vor der temporären Schließung des Hauses. In dieser Stimmung betritt Direktor Robert Mayer die Bühne und informiert das Publikum über die Attentate in der Innenstadt mit der Bitte, vorsichtig und auf direktem Wege nach Hause zu gelangen.
Zu Hause in Pötzleinsdorf verfolge ich die Nachrichten und stelle fest, dass sich die Tatorte nur ums Eck von Georgs Wohnung befinden. So nah rückt der Terror plötzlich. Ein Freund, der am Franz-Josephs-Kai wohnt, kann nicht nach Hause zurückkehren. Aus Sicht von Terroristen ist heute der perfekte Zeitpunkt: Der Abend vor dem Lockdown bietet die letzte Chance, noch einmal auszugehen – gerade am Schwedenplatz und im Bermuda-Dreieck besuchen vor allem jugendliche Gäste die vielen Lokale. Am Bauernmarkt und dem Graben ist wohl ein etwas älteres Publikum unterwegs. Und so sind alle Menschen betroffen.
So viele widersprüchliche Gefühle. Trauer über die Phantomausstellung und Phantomvorstellung. Glück über die großartige Vorstellung in der Volksoper. Und Entsetzen über den Terrorangriff.
Der 2. November 2020 wird uns im Gedächtnis bleiben.
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Übermorgen, am Mittwoch, dem 4. November, sollte unsere neue Produktion in der Hölle „Reif für die Insel“ stattfinden, und zugleich wäre auch meine Ausstellung „Perfides Albion – Exil in Großbritannien“ eröffnet worden.
Nun war es seit einigen Tagen klar, dass dies so wohl nicht stattfinden würde. Und doch: Heute habe ich meine Ausstellung aufgebaut, habe vier Vitrinen mit Umsicht und Begeisterung bestückt. Eine ist den Royals gewidmet – die Rückwand ist gespickt mit Photos der Royals – mit einem amüsiert-liebevollen Blick durchmischt mit Portraits aus Downton Abbey und The Crown. Die zweite Vitrine widmet sich dem Exil in England und den Proponenten Peter Herz und Richard Tauber, doch gab es noch viel mehr Künstler, die in England Zuflucht finden konnten. Fritz Schrecker und Siegfried Tisch prägen Das Laterndl und den Blue Danube Club als Sammelpunkte der österreichischen Emigration.
Was fehlt uns gerade? Das Schweifen in die Ferne. Auch diesem Bedürfnis widme ich eine Vitrine – Notenblätter und Souvenirs aus aller Welt. Natürlich mit Augenzwinkern. Doch eigentlich bleiben wir zu Hause – und dies hat sich im Wienerlied niedergeschlagen, meist geschaffen von jüdischen Textern und Komponisten.
Im Prater blüh’n wieder die Bäume…
Die Ausstellung wird fertig und zugleich beginnt der Durchlauf der Hölle-Produktion. Was für ein Geschenk, dies mitzuerleben, mitzusummen und mit Flaggen zu winken. Mit Wehmut und zugleich einem Glücksgefühl endet dieser Nachmittag. Und setzt sich wenige Stunden später in der Volksoper fort. König Karotte, die zeitlos aktuelle Offenbach-Operette, zieht das Publikum in seinen Bann – was für ein entlarvendes Stück: Opportunismus, Korruption, Mitläufertum. Das Lachen bleibt einem im Hals stecken. Großartige Leistung des Chores mit wortdeutlicher Präzision, wunderbare Hauptdarsteller/innen, die den oft doch sehr schrägen Rollen ein eigenes Gepräge verleihen. Beglückend. Im Schlussapplaus mischen sich Glück und Dankbarkeit gepaart mit Wehmut vor der temporären Schließung des Hauses. In dieser Stimmung betritt Direktor Robert Mayer die Bühne und informiert das Publikum über die Attentate in der Innenstadt mit der Bitte, vorsichtig und auf direktem Wege nach Hause zu gelangen.
Zu Hause in Pötzleinsdorf verfolge ich die Nachrichten und stelle fest, dass sich die Tatorte nur ums Eck von Georgs Wohnung befinden. So nah rückt der Terror plötzlich. Ein Freund, der am Franz-Josephs-Kai wohnt, kann nicht nach Hause zurückkehren. Aus Sicht von Terroristen ist heute der perfekte Zeitpunkt: Der Abend vor dem Lockdown bietet die letzte Chance, noch einmal auszugehen – gerade am Schwedenplatz und im Bermuda-Dreieck besuchen vor allem jugendliche Gäste die vielen Lokale. Am Bauernmarkt und dem Graben ist wohl ein etwas älteres Publikum unterwegs. Und so sind alle Menschen betroffen.
So viele widersprüchliche Gefühle. Trauer über die Phantomausstellung und Phantomvorstellung. Glück über die großartige Vorstellung in der Volksoper. Und Entsetzen über den Terrorangriff.
Der 2. November 2020 wird uns im Gedächtnis bleiben.
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